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Channel: Elternzeit – cloudette
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… ich räum dann mal später auf

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mal einfach langsam machen

es geht auch mit Gemütlichkeit

Ich habe etwas für mich Wesentliches in der Elternzeit gelernt – bzw. versuche es zu lernen -  und zwar mich in freien Stunden einigermaßen streng an den Grundsatz zu halten: Erst das Vergnügen, dann die Arbeit! Denn andersrum bleibt meist nur das Letztere. “Freie Stunden” bedeuten: Zeit alleine, ohne das kleine Kind, ohne Termine, ohne Erwerbsarbeit. Es hat ein ganzes Weilchen gedauert, bis ich den Dreh raus hatte: Erst auf dem Sofa rumgammeln, Freund/innen anrufen, Internet lesen und sonstige spaßige Dinge tun und dann danach, wenn Zeit bleibt, das häusliche Chaos lichten.

Zunächst lief das nämlich eher so: Kind F. ist aus dem Haus, in Krabbelgruppe (neuerdings) oder mit dem Papa unterwegs und ich verfiel in blinden Aktionismus. Die Wohnung sah aus wie Sau, also Wäsche waschen, spülen, saugen, aufräumen etc. War die Arbeit halbwegs getan, ließ ich mich aufs Sofa fallen. Tee & Krimi, hach wie schön, doch schon kurz darauf zeriss ein “Haaaalllooho, wir sind wieder daha!” die gemütliche Stille. Nach kurzer Zeit war der Urzustand wiederhergestellt und ich hatte das deutliche Gefühl, dass hier irgendwas nicht stimmte.

Den Dreh zu kriegen, war dennoch nicht leicht, zu tief verwurzelt war (und ist) der Zwang, ständig produktiv zu sein, irgendwas zu tun, die freie und immer zu kurze Zeit optimal zu nutzen: Hausarbeit, über berufliche Perspektiven grübeln oder wenigstens endlich mal wieder kreativ zu sein. Also versuchte ich den Spieß umzudrehn, planmäßig nichts Reproduktives zu tun und zu lernen, dass die Welt von ein bisschen mehr Chaos&Dreck zu Hause auch nicht untergeht. Zumindest temporär nicht.

Und dann stieß ich etwas unverhofft noch auf ein zweites Problem: So lange ich das Kind durch die Gegend schiebe, mich auf dem Spielplatz langweile oder sonstwie beschäftigt bin, hab’ ich einen dicken Hummelschwarm in Kopf. Gedanken surren hin und her, super Ideen im Gepäck, was ich alles machen könnte, hätte ich die Zeit dazu. Ist es dann so weit, dämmern die kleinen Viecher vor sich hin, verfallen in die Winterstarre. Apathie. Nix im Hirn. Keine Lust auf irgendwas. Das gibt es doch nicht. Stattdessen raunt das blöde Gewissen: Vielleicht doch die Fenster putzen?

Stück für Stück versuchte ich, dem Vergnügen Vorrang zu geben, lange Weile zuzulassen (auch wenn es mir vor mir selbst sehr peinlich ist, dass diese mich heimsucht), mich seit Ewigkeiten wieder in den Krimirausch zu begeben, manchmal einfach nichts zu tun, dem Müßiggang zu frönen.

Nun schaut ab und an die Muse auf ein Küsschen vorbei und ich lade sie zum Verweilen ein. Und bitte sie, doch auch vorbeizukommen, wenn sehr bald schon die Luxuszeiten enden und der Job mit Alltag wieder beginnt.

Schmatz.

P.S.: Als dumpfes Unbehagen schwirrte mir das Thema schon lange im Kopf herum. Etwas systematischer habe ich mich bei der Lektüre von Dorothee Markerts Buch “Lebenslänglich besser. Unser verdrängtes pietistisches Erbe” damit beschäftigt. Sie klamüsert auseinander, wie sehr uns die pietistische “Schaffen schaffen Häusle bauen”-Mentalität, in der Müßiggang  keinen Platz findet, heute noch beeinflusst. Eine Besprechung findet sich bei Antje Schrupp.

P.S.II: Ich möchte noch auf einen Artikel bei glücklich scheitern hinweisen, die sich gerade auch eine Auszeit nimmt und sich einfach mal “treiben lassenmöchte.


Einsortiert unter:Alltag mit Kind, Elternzeit, freie Zeit Tagged: Gewissen, Hausarbeit, Langeweile, Müßiggang, Mußenkuss, Muse

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